Steuerfalle Lobbyregister

Das Risiko wächst, erwischt zu werden

 

Mehr Transparenz fordert die EU von den Interessenvertretern in Brüssel. Doch wer freimütig Auskunft gibt, muss damit rechnen, ins Visier des belgischen Fiskus zu geraten. Der nutzt das neue Verzeichnis als willkommene Informationsquelle.

 

Offiziell treffen Kommissare, Minister und Abgeordnete auf EU-Ebene Entscheidungen. Doch inoffiziell läuft in Brüssel nichts ohne Lobbyisten. Zwar befürworten Kommission, Rat und Europaparlament deren Arbeit, weil nur so Beamte fachlichen Input für Gesetzentwürfe und unterschiedlichste Gruppen Gehör erhalten. Doch damit deren Einfluss demokratischen Standards genügt, soll er transparenter werden. Die EU will die verschwiegene Branche zwingen, sich zu offenbaren. So hat die Kommission vor einem Jahr ein freiwilliges Lobbyistenverzeichnis (http://ec.europa.eu/transparency/regrin) eingerichtet, das Europaparlament fordert sogar ein Pflicht-Register wie in den USA.

Doch bislang löste das Lobbyistenverzeichnis bei in Brüssel aktiven Unternehmen, Verbänden und NGOs wenig Begeisterung aus. Trotz einiger Privilegien, wie die automatische Benachrichtigung über Konsultationen der EU-Exekutive oder ein „badge“, der freien Zugang zu Kommissionsgebäuden gewährt, haben sich erst zehn Prozent der geschätzten 15000 Interessenvertreter bei der EU in das Verzeichnis eingetragen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die bislang freiwillige Registrierung verpflichtend wird.

Willkommene Informationsquelle

Ein Profiteur des Projekts steht indes jetzt schon fest: der belgische Staat. Er nutzt das Lobbyregister als willkommene Informationsquelle. So verlangt die Datei heikle Angaben zu Personen und Finanzen. Von freiberuflichen Beratern und Anwälten fordert das Register die Offenlegung des Umsatzes, von Unternehmensvertretern und Wirtschaftsverbänden die Kosten ihrer Arbeit. Unter der Rubrik „weitere nützliche Informationen“ wird ausdrücklich empfohlen, die Büroanschrift in Brüssel anzugeben.

Wer sich in das Lobbyregister der Kommission einträgt, muss deshalb damit rechnen, Post vom belgischen Fiskus zu erhalten mit der Aufforderung, Jahresabschluss, Kontoauszüge und Gehaltsabrechnungen vorzulegen oder den Namen des Vermieters seines Büros zu nennen. Wenn dieses nicht deklariert ist und das Personal nicht in Belgien angemeldet ist, kann es ein böses Erwachen geben. Viele Lobbyisten scheuen aus Kostengründen eine Anmeldung in Belgien, da es zu den Ländern mit den höchsten Steuersätzen der Welt gehört. Da zudem die Freibeträge niedriger und die Progression steiler ist, kommt man schnell auf 50 Prozent Einkommenssteuer, hinzu kommt noch die Gemeindesteuer. Auch Bürohilfen werden daher nicht selten im vertrauten Steuer- und Sozialversicherungssystem des Heimatlandes weitergeführt.

Zwar ist im deutsch-belgischem Doppelbesteuerungsabkommen klar geregelt, wann ausländische Firmen und deren Beschäftigte im Gastland Steuern zu zahlen haben. Jeder nach Belgien entsandte Mitarbeiter, dazu gehören auch Praktikanten, ist vor Arbeitsantritt zu melden (Online-Meldung über Limosa - www.limosa.be/). Wer länger als sechs Monate bleibt, muss auch sein Fahrzeug in Belgien registrieren lassen – damit wird dort die Kfz-Steuer fällig. Über solche Regeln wird jedoch oft großzügig hinweggesehen.

Entdeckt der belgische Fiskus aber, dass ein Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht erklärt hat, muss er mit einem Zuschlag von 300 % auf die Gehälter rechnen. Wer entsandte Mitarbeiter nicht vor Arbeitsantritt meldet, der riskiert zusätzlich bis zu 2500 € Geldbuße. Zudem drohen noch weit höhere Verwaltungsstrafen.

Kontoauszüge und Gehaltsabrechnungen

Bislang war das Risiko, von den belgischen Behörden erwischt zu werden, relativ gering. Das ändert sich mit dem Lobbyregister der Kommission. Damit die Transparenz auf EU-Ebene kein teures Nachspiel hat, sollten Interessenvertreter sich dringend von einem Experten in Steuer- und Sozialrecht beraten lassen, bevor sie freimütig Angaben im Verzeichnis machen.

Er kann sie zudem über die steuer- und sozialrechtlichen Gestaltungsspielräume informieren, die Belgien ausländischen Firmenvertretungen und ihren Mitarbeitern gewährt. So können entsandte Führungskräfte den expatriate-Status beantragen, der ihnen meist niedrigere Steuersätze beschert als im Heimatland. Für einfache Mitarbeiter gibt es ebenfalls großzügige steuerfreie Pauschalen, etwa für Reisekosten und Repräsentationsaufwand. Wie Führungskräfte können auch sie trotz Tätigkeit in Belgien noch einige Jahre in der heimischen Sozialversicherung bleiben. Selbst für Praktikanten gibt es lukrative Sonderregelungen. Gut vorbereitet beugen ausländische Interessenvertreter Ärger mit dem belgischen Fiskus und der EU-Kommission vor – und vermeiden, dass die neue Transparenz auf ihre Kosten geht.

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 20/06/2009