Belgien streicht Steuerprivilegien für Ausländer

Der Schirm ist jetzt weg

Belgien soll ein Steuerparadies sein? Es gibt schlechte Nachrichten für die vielen Unternehmervertreter aus dem Ausland, die bisher vom Status eines so genannten „non-résident/Niet-rijksinwoner“ profitierten. Die Staatskassen sind leer, und deshalb gilt jetzt: Wer mehr als 25 Prozent seiner Arbeitszeit außerhalb von Belgien dienstlich unterwegs ist, verliert seine Freibeträge und andere Steuervorteile. Das kann für einen Verheirateten mit Kindern eine Erhöhung der Steuer zwischen 5000 und 10000 € bedeuten. Ein Alleinstehender muss mit einer Steuererhöhung von rund 1700 € rechnen. So ein Gesetz vom 8. Mai 2014 sowie ein königlicher Beschluss vom 18. Juni 2014.

 

Im internationalen Vergleich zählt das Königreich mit einem Spitzensteuersatz von rund 54 Prozent einschließlich der Gemeindesteuern weltweit zu den Ländern mit der höchsten Einkommensteuer. Für die allein in Brüssel rund 15 000 Firmen- und Verbandsvertreter aus dem Ausland wäre diese Belastung im Vergleich zum Heimat- bzw. Entsendeland nur schwer zu ertragen, hätte es bisher nicht spezielle Steuererleichterungen für diesen Personenkreis gegeben.

Der Fiskus geht davon aus, dass Nichtresidenten ihren Hauptsitz im Herkunftsland beibehalten und eines Tages wieder ins Heimatland zurückkehren. Zu ihren Gunsten wurden Steuern nur für denjenigen Anteil am Berufseinkommen erhoben, welcher auf belgischem Boden verdient wird. Es wurde erwartet, dass sie das übrige Einkommen im jeweiligen Herkunftsland erklären.

Steuerlast selbst bestimmen

Wer diesen Status hat, kann seinen Steuersatz im Zweifel selber bestimmen. Denn alle Arbeitstage, welche dienstlich außerhalb von Belgien verbracht werden, reduzierten pro rata den Steuersatz in Belgien. Zum Nachweis genügte oft nur ein Kalender bzw. eine Exceldatei mit der Auflistung der Dienstreisen. Davon profitierten gerade in Brüssel auch die vielen Lobbyisten und deren Mitarbeiter. Mit dem Segen der Arbeitgeber wurde oft alles getan, um eine möglichst hohe Zahl an Auslandstagen schön zu rechnen.

Nur die Doppelbesteuerungsabkommen konnten dem unbegrenzten Gestalten von Auslandsreisen ein Limit setzen, wenn mehr als 183 Tage im Ausland erreicht sind. Daran sind aber weitere Voraussetzungen geknüpft, an denen es oft fehlt.

Die Nichtresidenten werden zwar grundsätzlich in die ungünstige Steuerklasse 3 eingestuft. Dies gilt aber dann nicht, wenn sie in Belgien einen Haushalt begründet haben, z.B. einen Wohnsitz angemeldet oder die Familie mitgebracht haben. Ebenso wenn sie wenigstens 75 Prozent ihrer Berufseinkünfte auf belgischem Boden verdienen. Dann werden sie den Belgiern gleichgestellt. Sie haben unter anderem Anrecht auf den üblichen Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag genauso wie die Steuerermäßigung für den nicht berufstätigen Ehepartner (Ehegattensplitting). Wie die Belgier fallen sie in die günstigere Steuerklasse 1 für Alleinstehende oder 2 für Verheiratete.

Wer als Führungskraft, Experte oder Forscher bei der belgischen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens eingesetzt wird, wird besonders umworben. Er kann dazu noch einen steuerlich privilegierten Status beantragen.

Reichlich bemessen

Abgesehen von einer reichlich bemessenen zusätzlichen Werbungskostenpauschale kommen dieser Klasse von Steuerpflichtigen die üblichen Vergünstigungen stets zu gute, egal, ob ein Haushalt auf belgischem Boden unterhalten wird oder wie viele Tage ihrer Arbeitskraft in Belgien eingesetzt wird. Vom Kreis der so motivierten Besserverdiener erhofft man sich, dass sie sich bei ihren ausländischen Konzernzentralen für Investitionen im Königreich ganz besonders stark machen.

Zwar bleiben diesem erlauchten Stand die Werbungskostenpauschalen auch in Zukunft erhalten. Seit dem 1. Juli 2014 haben aber viele Nichtresidenten mit oder ohne Sonderstatus zahlreiche Vergünstigungen verloren. Das gilt stets dann, wenn mehr als 25 Prozent der beruflichen Einkünfte außerhalb der Grenzen Belgiens während der regulären Arbeitszeit verdient werden. Also unter 75 Prozent innerhalb Belgiens. Dann fallen sie in die ungünstigere Steuerklasse 3. Dabei kann auch entscheidend werden, wo und wieviel der Ehepartner verdient. Dessen Einkünfte werden nämlich stets mitberücksichtigt.

Der Nachweis möglichst vieler Auslandstage kann daher künftig mehr schaden als nützen. Steuerpflichtige dieser Gruppe verlieren den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag, das „Ehegattensplitting“ ebenso wie regionale Steuerermäßigungen, so für die verbreiteten „titre-services“ oder die Anrechnung von Renovierungs- bzw. Schutzmaßnahmen fürs Eigenheim und die Vergünstigungen für die Lebensversicherung zur Finanzierung des Heims. Nur eine Vergleichsrechnung kann hier weiterhelfen, schon um die Höhe der ggf erforderlichen Steuervorauszahlungen zu berechnen.

Die Regeländerung ist eine der Folgen der zunehmenden Regionalisierung Belgens mit den einhergehenden Anpassungen von Steuerhoheit und Zuständigkeiten. Für die Vergünstigungen kommt es in Zukunft immer mehr darauf an, welche Region zuständig ist. Nicht ganz klar ist, ob es dabei auf den Sitz des Nonresidenten oder seines Arbeitgebers ankommt.

Hart getroffen

Besonders hart getroffen sind Unternehmervertreter, deren Hauptwohnsitz bzw. deren Familien sich außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden – so in Amerika, Japan oder China. Für diese sind die genannten Vergünstigungen ausgeschlossen, auch wenn sie die 75-Prozent-Regel erfüllen. Oft werden in solchen Fällen Netto-Gehälter vereinbart. Weil so die Arbeitgeber  erheblich belastet werden, sind sie möglicherweise geneigt, ihre Investitionen in Belgien zu überdenken.

Unlängst wurden monatliche Lohnsteuervorauszahlungen auch für diese Nichtresidenten vorgeschrieben. Bislang gab sich das Finanzamt mit einer Steuererklärung und Zahlung nach dem Ende des Jahres zufrieden. Neuerdings müssen auch Nichtresidenten, die bereits 10 Jahre in Belgien eingesetzt sind, Nachweise führen. So, dass sie in der Zwischenzeit nicht mit ihrer Familie in Belgien heimisch geworden sind bzw. den Hauptsitz im Ausland noch nicht aufgegeben haben. Andernfalls verlieren Sie ihren Sonderstatus.

Die großzügige Haltung Belgiens gegenüber den bisher so sehr umworbenen Nichtresidenten scheint an seine Grenzen gestoßen zu sein. Nicht zuletzt sind es die leeren Kassen, die wie in Frankreich und anderen Ländern zu massiven Verschärfungen der Abgabenerhebung zwangen. Die Auswirkungen werden auch 2015 und 2016 spürbar werden. Der Fiskus hat bereits eine Zunahme von Kontrollen angekündigt.

Alleinstehende kommen am besten weg

Denn oberflächlich betrachtet werden durch die geschilderte Reform alle Grundsätze einer sozialen Steuerfestsetzung außer Kraft gesetzt. Der Verheiratete wird künftig praktisch schlechter gestellt als ein Alleinstehender. Und das geht so: Ein Alleinstehender in Steuerklasse 1 verliert nur seinen Grundfreibetrag. Ein Verheirateter mit Kindern verliert aber sehr viel mehr: Seinen Grundfreibetrag, den Freibetrag für die Kinder – je mehr Kinder, desto mehr – und er verliert den quotient conjugal, also das Ehegattensplitting.

Trotz der Belastung durch seine ganze Familie, die ja im Normalfall honoriert wird durch Kinderfreibeträge und das Ehegattensplitting, bleibt ihm nicht einmal mehr sein eigener Freibetrag (revenu exempté d’impôt personnel). Außerdem verliert er die Möglichkeit, Zinsen für sein Haus oder/und Lebensversicherungsbeiträge abzuziehen. Wen es trifft, trifft es hart.

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 19/01/2015.