Ganz anders als in Deutschland: Erbrecht in Belgien

 

Die hohen Steuersätze in Belgien können für Senioren mit fremder Staatsbürgerschaft zum Alptraum werden. Denn Freibeträge bei Erbschaften wie in Deutschland gibt es im Nachbarland kaum – und wenn, dann gewährt sie der Fiskus nur in homöopathischen Dosen. Vermögende Pensionäre mit ausländischer Staatsbürgerschaft sollten in Belgien also vorsorgen. Sonst kann es passieren, dass nicht die Angehörigen, sondern der Fiskus erbt.

 

Andere Länder, andere Sitten: Während der deutsche Fiskus Ehepartnern 500.000 Euro und jedem Kind 400.000 Euro steuerfrei belässt, sind in Belgien im schlimmsten Fall 80 Prozent des Erbes an den Staat abzuführen. Das kann Ausländern, die ihre alten Tage in Belgien verbringen, den Lebensabend vergällen. Nur wer bei den EU-Institutionen beschäftigt ist, darf im Todesfall eine Behandlung nach den Regeln des Heimatlandes erwarten. Das ist vorteilhaft, denn in fast allen EU-Staaten gibt es bessere Konditionen. Bleiben EU Beamte aber nach ihrem Ausscheiden in Belgien, dann schützt sie ihr ehemaliges Personalstatut nicht mehr, ebenso aktive EU-Beamte mit Grundbesitz im Land. Internationales Recht erlaubt dem belgischen Fiskus den Zugriff.

Spitzensätze bei Erbschaftssteuer

Wer immer nach der Pensionierung in Belgien bleibt, im Todesfall unterliegt sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen der belgischen Erbschaftssteuer. Die Spitzensätze von 27 Prozent bis 30 Prozent für Ehepartner und Kinder sind schnell erreicht. Lebenspartner werden unter gewissen Voraussetzungen Ehepartnern gleichgestellt.

Zählt der Begünstigte nicht zur näheren Verwandtschaft, gilt in Flandern eine Spitzensteuer von 65 Prozent, in der Wallonie und in Brüssel sogar von 80 Prozent. Wer Eigentümer eines Anwesens in Deutschland ist, riskiert sogar, zweimal zu zahlen: In seiner Heimat und in Belgien. Anders als mit Frankreich gibt es noch immer kein Doppelbesteuerungsabkommen für Erbschaften, das diesem Zustand ein Ende macht. Belgien ist allerdings gnädig und rechnet eine in Deutschland ggf. bezahlte Steuer an. Immerhin hat sich der europäische Gesetzgeber der Not der Auslandseuropäer angenommen. Eine auf den Weg gebrachte EU-Verordnung gibt ihnen Wahlfreiheit über das zur Anwendung kommende Erbrecht. Auf das Steuerrecht hat sie aber keinen Einfluss. Sie gibt aber Klarheit, wer Erbe ist und was ihm zusteht.

Für Kinder das „nackte“ Eigentum

So teilen sich in Deutschland in einer Zugewinngemeinschaft der überlebende Elternteil und die Kinder den Nachlass. Anders in Belgien. Zwar erhalten sie dort mehr als die Nachkommen in Deutschland, sie müssen aber bis zum Antritt des Erbes meist länger warten. Besteht der Nachlass nur aus dem Familienheim, erhält der Ehepartner das Nutzungsrecht, den sog. Nießbrauch. Die Kinder bekommen nur das „nackte“ Eigentum.

Erst wenn der überlebende Ehepartner stirbt, kommen sie zum Zuge. Da in Belgien die Regionen über Steuerautonomie verfügen, gibt es unterschiedliche Steuersätze. So liegt in der Wallonie im Erbfall der Freibetrag für Ehepartner und Kinder über 21 Jahre bei bescheidenen 12 500 Euro. Das betrifft etwa die Brüsseler Vororte La Hulpe oder Waterloo. Je jünger die Kinder sind, umso höher ist der Freibetrag. Mit 15.000 Euro nur geringfügig höher ist er in Brüssel und den zur Hauptstadt gehörenden Gemeinden wie Watermael-Boitsfort oder Woluwe-Saint-Lambert.

Nach Region verschieden

Flandern praktiziert ein anderes Erbschaftsteuersystem. Dort gibt es keine Freibeträge – dafür bleiben die Rechte an der Familienwohnung für den überlebenden Ehepartner steuerfrei. Damit bietet die flämische Region für Verheiratete das günstigste Erbschafsteuerrecht. Wer in den Brüsseler Vororten Wezembeek-Oppem oder Sterrebeek den Familiensitz hat, kann sich also glücklich schätzen. Darüber hinaus sind Ehepartner und Kinder begünstigt, weil Flandern Immobilien, Konten und Geldanlagen getrennt besteuert. Damit profitieren Erben mehrmals von den niedrigen Tarifen. In Brüssel und der Wallonie wird der Familiensitz ebenfalls geschont, doch erbschaftssteuerfrei ist er nicht. Für Ehepartner und Kinder gelten nur günstigere Tarife.

Lösungswege „à la belge“

Angesichts der hohen Erbschaftssteuer nutzen die Belgier alle Möglichkeiten, sie zu mindern. Ein beliebter Weg sind Schenkungen an Ehepartner und Kinder. Zwar gelten für diese die gleichen Steuersätze wie für Erbschaften. Aber „Handschenkungen“, so von Geld oder Schmuck, sind steuerfrei, wenn der Spender nicht innerhalb der nächsten drei Jahre stirbt. Andernfalls rechnet der Fiskus sie dem Erbe hinzu. Vermeiden lässt sich das, wenn ein Notar die Schenkung vollzieht. Außer seinen Gebühren fällt für sie in Brüssel und Flandern nur 3 Prozent Registrierungssteuern an. In der Wallonie 3,3 Prozent.

Für entfernte Verwandte und nicht zur Familie gehörende Personen sind abhängig von der Region zwischen 5,5 und 7,7 Prozent zu entrichten. Für Schenkungen von Immobilien gilt diese Gunst nicht. Die fällige Schenkungssteuer ist in der Regel so hoch wie die Erbschaftsteuer. Allerdings zählt der Fiskus nur Schenkungen der vergangenen 3 Jahre zusammen. Danach kann man erneut von den niedrigen Eingangstarifen profitieren. In Deutschland müsste man 10 Jahre verstreichen lassen.

Handschenkung steuerfrei

Günstiger ist es, sein Kind schon beim Kauf des Eigenheims zum „nackten“ Eigentümer zu machen. Die Mittel können ihm die Eltern mit einer Handschenkung steuerfrei zur Verfügung stellen. Sterben sie, wird der Sprössling Volleigentümer, ohne Erbschaftsteuer zu zahlen. Allerdings sind dabei einige Formalitäten zu beachten.

Wer diese versäumt, der kann das Heim scheibchenweise auf die Abkömmlinge übertragen. Wer alle drei Jahre einen Teil der Immobilie – so im Wert von 100 000 Euro – mit einem notariellen Schenkungsvertrag überträgt, kommt ebenfalls mit einer moderaten Belastung um 5 Prozent davon. Im Fall des Kaufs wären bis zu 12,5 Prozent Grunderwerbssteuer zuzüglich Notarkosten fällig.

Wer keine Erben hat, dem bleibt die Möglichkeit, sein Wohnhaus auf Rentenbasis zu verkaufen. Die Anzahlung und lebenslange Rente können den Lebensabend versüßen. Die steuerlich ebenfalls privilegierte Vermögensübertragung auf eine „gemeinnützige“ Privatstiftung ist nur Menschen mit sozialer Ader zu raten. Auch das in Belgien beliebte Einbringen von Grund und Boden in eine Gesellschaft, etwa einer GmbH bzw. SPRL, ist nicht immer sinnvoll. Die Betriebskosten fressen die Steuervorteile oft wieder auf.

Vermögende Pensionäre mit ausländischer Staatsbürgerschaft sollten in Belgien vorsorgen. Sonst kann es passieren, dass nicht die Angehörigen, sondern der Fiskus erbt.

FLANDERN
Kein Freibetrag. Aber die Rechte an der gemeinschaftlich genutzten Familienwohnung gehen völlig unbelastet auf den überlebenden Ehepartner über.
Für die Kinder gilt:
0,01 – 50.000 € 3%
50.000 – 250.000 € 9%
Vermögen, Immobilien und unter bestimmten Bedingungen Familienunternehmen werden getrennt besteuert, also jeweils mit den niedrigen Eingangssteuersätzen.

BRÜSSEL
Freibetrag: 15.000 €
(für Ehepartner und Kinder über 21 J.)
0,01 – 50.000 € 3% (2%)
50.000 – 100.000 € 8% (5,3%)
100.000 – 175.000 € 9% (6%)
175.000 – 250.000 € 18% (12%)
250.000 – 500.000 € 24%
Über500.000 € 30%

WALLONIE
Freibetrag: 12.500 €
(für Ehepartner und Kinder über 21 J.)
0,01 – 2.500 € 3% (1%)
2.500 – 25.000 € 4% (1%)
25.000 – 50.000 € 5% (2%)
50.000 – 100.000 € 7%
(ab 50.000 – 175.000 € 5%)
100.000 – 150.000 € 10%
150.000 – 200.000 € 14%
(ab 175.000 – 250.000 € 12%
200.000 – 250.000 € 18%
250.000 – 500.000 € 24%
Über500.000 € 30%

 

Von Walter Grupp
Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 06/09/2015.