Immobilienerwerb wird in Brüssel teurer

Belgiens Steuersätze für Lohnempfänger zählen zu den höchsten weltweit. Dagegen wurde das Kapital, also Immobilienbesitz und daraus herrührende Mieteinnahmen, von übertriebenen Abgaben seit jeher verschont. Wenn es nach dem Willen der Gemeinden ginge, sollte sich das bald entschieden ändern. Anstatt auf der Ausgabenseite zu sparen, hat die klamme Brüsseler Region unlängst ihren Anteil an der Grundsteuer (précompte immobilier) erhöht. Auf die Hausbesitzer kommt eine Steigerung der Grundsteuer von rund 12% zu. Dabei soll es nicht bleiben.

 

Tausende von Häuslesbesitzern haben in den letzten Monaten von der Stadt Brüssel und den Nachbargemeinden wie Uccle, Auderghem oder Schaerbeek Post erhalten. Auf einem Fragebogen ist anzukreuzen, ob die Immobilie vermietet ist, ob Keller- oder Speicherräume zu Wohnraum umgewandelt wurden, ob fließendes Wasser, Strom-, Gas- oder Abwasseranschluss vorhanden sind. Und in derselben Rubrik weiter, ob Luxuseinrichtungen wie Sauna, Schwimmbad oder ein Aufzug vorhanden sind und vieles mehr.

Das Schreiben hinterlässt seinen Eindruck. Nur 15 Tage Zeit werden für eine Antwort eingeräumt. Vor allem aber werden alle mit empfindlichen Sanktionen bis hin zu Gefängnisstrafen bedroht, die nicht sofort zum Kugelschreiber greifen. Kein Wunder, dass viele Empfänger den Fragebogen erschrocken sofort ausgefüllt und zurückgesandt haben.

Ziel des Schreibens ist, sich so viel wie möglich Informationen von den Immobilienbesitzern zu beschaffen, die für eine Werterhöhung sprechen. Rund 12 000 Wohnungen in Brüssel haben laut Kataster angeblich kein Bad und oder keine Zentralheizung, als ob man dort noch mit den alten Kaminen heizen würde. Diese sind in den alten Häusern als Brandherd geächtet und dienen weitgehend nur noch dem Dekor. Auch geht kaum einer mehr mangels Bad zum Waschen in öffentliche Badeanstalten. Diese Situation scheint aber 1975, bei der letzten flächendeckenden Bewertung, üblich gewesen zu sein. Das Brüsseler Grundbuch ist also vollkommen veraltet und ungepflegt. Wertsteigernd sind daher insbesondere der Ausbau der Kellerräume oder des Dachgeschosses beispielsweise zum Kinder- oder Gästezimmer. Womöglich ist das Un

tergeschoss sogar vermietet an einen Studenten. Ebenso gilt der Einbau einer zusätzlichen Toilette, Dusche oder der Ausbau einer ungenutzten Dachfläche zur Veranda als bisher nicht gemeldeter Luxus.

Steigt der Mietwert, steigen Grund- und Einkommensteuer

Die im Fragebogen angekreuzten wertsteigernden Merkmale sollen später dem Eigentümer vor Augen gehalten werden,, um einen Zuschlag auf den Mietwert seiner Immobilie zu rechtfertigen. Unerquickliche Folge ist, dass damit grundsätzlich sowohl eine Erhöhung der Grundsteuer als auch der Einkommensteuer für vermietete Immobilien und für Zweitwohnsitze einhergeht.

Denn für die Berechnung dieser beiden Steuern ist der Mietwert ausschlaggebend, genau genommen der Nettomietwert. Vom Mietwert, d.h. was das Gebäude im Durchschnitt aufs Jahr an Miete einbrächte, wurden noch 40% für Unterhalt und Reparaturen abgezogen.

Dieser „Nettomietwert“ wird katastrales Einkommen (revenu cadastral) genannt. Steigt er, steigen die Steuereinnahmen des Staates. Dann profitieren auch die Gemeinden vom erhöhten Steueraufkommen.

Illegales Vorgehen

Die Gemeinden sind jedoch für die Erhebung solcher Daten unzuständig.

Zuständig für eine solche Erhebung ist der föderale Staat, genau die den Finanzen zugeordnete Stelle „L’Administration générale de la documentation patrimoniale et du cadastre“. Diese Administration générale zeigte in der Vergangenheit aus gutem Grund wenig Interesse an einer Neubewertung des Mietwerts, die für alle 10 Jahre vorgeschrieben ist. Eine Neubewertung ist aber höchst unpopulär. Sie kommt bei den Wählern nicht gut an, denn immerhin sind 74% der Belgier Immobilienbesitzer.

Die Gemeinden wenden ein, es ginge um Millionen. Wenn sich diese Verwaltung nicht rühre, würden die Gemeinden diese Arbeit übernehmen müssen. Das wiederum will die Föderalregierung nicht, die schon mal diskretere Maßnahmen vorgezogen hat. So wurde das katastrale Einkommen, also der Nettomietwert an die jährliche Steigerung der „Lebenshaltungskosten“ angepasst. Wer seine Immobilie vermietet, also Profite machen will, bekommt auf den indexierten Wert sogar noch einen Zuschlag von 40% darauf. Das gleiche gilt für Zweitresidenzen.

Immobilienbesteuerung in Belgien im europäischen Durchschnitt

Nicht selten reichen bislang zwei Monatsmieten aus, um die Grundsteuer sowie die Einkommensteuer zu decken. Dennoch ist Belgien insoweit kein Steuerparadies. Man denke nur an die erheblichen Grunderwerbssteuern oder Erbschaftssteuersätze, die bei einem solchen Vergleich ebenfalls zu Buche schlagen. Ganz zu schweigen von den steigenden Investitionen für die Erhaltung der oft über hundert Jahre alten Häuser. Diese Kosten werden auf bis zu 60% der Einnahmen geschätzt.

Daher blieb die Immobilienbesteuerung von der jüngsten Steuerreform (tax shift) auch weitgehend verschont. Brüssel hat für 2016, wie bereits Flandern seit Mitte 2015, sogar die Schenkungssteuer gesenkt, was eine Übertragung von Immobilien zu Lebzeiten attraktiver macht. Im europäischen Belastungsvergleich liegt Belgien insoweit daher eher in der oberen Mitte.

Was ist zu tun?

Die Gemeinden sind nicht nur unzuständig für die Informationserhebung. Auch die diskriminierende Vorgehensweise bei der Informationserhebung scheint regelwidrig – so die Beschränkung der Befragung nur auf einige Viertel oder Straßenzüge. Ebenso die kurzen Antwortfristen oder die Androhung der Sanktionen von einer unzuständigen Behörde. Deswegen ist kaum falsch, wenn man das Schreiben der Gemeinde unbeantwortet lässt.

Wer aber erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen hat, muss diese von sich aus der zuständigen „Administration générale de la documentation patrimoniale et du cadastre“ mitteilen. Wer dem nicht nachkommt, muss zu Recht mit Sanktionen rechnen. Wird diese Behörde von der Gemeinde darauf aufmerksam gemacht, kann sie Zutritt zum Gebäude verlangen und sich selber ein Bild machen. Darüber hinaus ist womöglich sogar eine Baugenehmigung zu beantragen. Zur Vermeidung von Reibungen ist wohl das Beste, bei der Gemeinde zu hinterfragen, wie sie ihre Zuständigkeit begründet. Der Nationale Verband der Hauseigentümer (SNCP-NEMS) hält dafür einen Formbrief bereit.

Wurde der Fragebogen der Gemeinde aber bereits beantwortet, wird diese die Informationen der Administration générale zuspielen. Diese wird dann ggf. einen Bescheid über ein höheres katastrales Einkommen erlassen. Erscheint der Wert zu hoch, kann man ihn innerhalb von 2 Monaten bestreiten. Da die Argumente hieb- und stichfest sein sollten, ist zu raten, einen Architekten hinzuzuziehen. Die Behörde scheint die Argumente sonst nicht sehr ernst zu nehmen.

Das einmalige Honorar ist gut angelegt, wenn man bedenkt, dass sich eine zu hohe Grund- bzw. Einkommensteuer Jahr für Jahr addiert.

 

Von Walter Grupp

Zuerst veröffentlicht auf Belgieninfo am 10/02/2016.